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Lösungsstellung

Die Klientin (D) übernimmt die drei Kapitalanteile von ihrer Mutter (B) und gibt je einen Kapitalanteil an die jüngere und ältere Schwester (E + C).  Durch die Prozessarbeit erlebt die Klientin eine starke Erleichterung, die in einer Rückmeldung ein halbes Jahr später noch anhält.

Klientin zur Mutter (B): „Ich würdige es, dass du es auf dich genommen hast, den Hof aufzugeben.“
„Du hast damit eine große Last übernommen; und ich nehme das Erbe mit dieser Last, so wie es ist.“

Besprechung der Dynamik

Man sieht in der Grundaufstellung, dass die Klientin es übernommen hat, auf dem Platz der Mutter zu stehen im Hinblick auf die beiden verstorbenen Onkel (den Brüdern der Mutter), die die Erben des Hofes gewesen wären.

Die Stellvertreter der beiden verstorbenen Brüder zeigen eine Unruhe, die sich erst legt, als ihre Schwester sich nicht mehr als „Alleinerbin“, sondern als die Treuhänderin der Erbanteile ihrer Brüder zeigt. Dies wurde im Prozess durch die drei Seile eingeführt.

Immer wieder zeigt es sich bei der Aufstellung von Erbgängern, dass die Erbteile verstorbener Geschwister gewürdigt werden müssen. Wenn zum Beispiel zwei Geschwister ein verstorbenes drittes Geschwister haben, ist es ein gutes Vorgehen, wenn das Erbe in drei Teile (unter Einschluss des verstorbenen Geschwisters) aufgeteilt wird. und dieser dritte Teil dann unter den beiden Überlebenden nochmals aufgeteilt wird. So kann sich jeder als „Treuhänder“ des Verstorbenen erleben. Wo dies nicht geschehen war, habe ich schon mehrfach schwere Belastungen der nachfolgenden Erben erlebt. Nur ein einziges Mal habe ich bisher gehört, dass eine Familie von sich aus die Dinge so geregelt hatte. In dem vorliegenden Fall erlebt die Klientin, dass ihre Mutter den Hof zu überschulden beginnt, obwohl keinerlei wirtschaftliche Notwendigkeiten dafür vorliegen. Das nicht richtig übernommene Erbe wird verschleudert, verspielt oder „durchgebracht“, manchmal auch in eine barmherzige Stiftung eingebracht (zum Ärger der Nacherben).

In der Aufstellung zeigt sich eine weitere Dynamik. Ein Bauernhof (genauso wie jeder andere Familienbetrieb) ist so etwas wie ein eigenes Wesen. Oft hat der Hof sogar einen eigenen Namen, der sich vom Familiennamen der Besitzer unterscheidet. Der Hof scheint im Vergleich zu einem einzelnen Familienmitglied das Größere. Zum Erhalt des Hofes oder des Betriebes wird auch das Leben eines Einzelnen geopfert – und das wird so als „in Ordnung“ erlebt. Und wer einen Bauernhof oder einen Familienbetrieb auflöst, wird im System erlebt als einer, der etwas Ungeheuerliches tut. Die Aufstellungsarbeit hat gezeigt, dass das auch für diejenigen gilt, die den Hof erfolgreich in Kapitalanteile oder Immobilienanteile auflösen. Und so ist es nicht verwunderlich, dass in der heutigen Zeit, die sich durch ein Höfe-„Sterben“ auszeichnet, die Höfe fast nie von den traditionellen Erben (meist dem ältesten Sohn) übernommen werden, sondern von dem Jüngsten. Die Höfe werden den traditionellen Hoferben nicht übernommen, wenn die systemische Schuld der Hofaufgabe oder des Landverkaufs quasi vorausgesehen wird. Sie bleiben dann den Jüngsten, als den im System Schwächsten, mitsamt der Schuld.

Es war bei mehreren Aufstellung schon fast „gespenstisch“, wenn der Stellvertreter für einen Hof (wobei die Stellvertreter von diesen Dynamiken keine Vorkenntnis hatten) auf der Suche nach dem Erben immer (ohne Ausnahme!) beim Jüngsten „hängen“ blieb.

Die Auflösung eines Hofes ist für den, der es tut, eine Tragik, und sein Handeln wird im System wie eine böse Tat weitergegeben. Daher wurde in der hier besprochenen Aufstellung die Mutter erst ruhig, als sie von der Tochter die Botschaft hörte: „Du hast eine große Last übernommen ...“ Die Lösung für das System ist es, wenn auf den, der die „Liquidation“ vornimmt, mit Wissen um das Schwere seines (meist unumgänglichen) Handelns und mit Achtung geschaut wird. Meine Vorstellung bei der Arbeit mit dem eben besprochenen System war, dass die Klientin die Systemschuld für die Auflösung des Hofes von ihrer Mutter übernimmt, indem sie Schwere, Schwäche und Autoimmunerkrankung lebt. Die Anerkennung der Schwere der Tat und der Last, die es für die Mutter bedeutet hat, erleichtert die Klientin.

Auf eine weiter Dynamik soll anhand dieser Aufstellung hingewiesen werden. Der Vater war vom Erbe seiner Frau ausgeschlossen worden. Die Großeltern der Klientin hatten ihrer Tochter den Hof erst überschrieben, nachdem der Mann der Tochter sich getrennt und sich dann suizidiert hatte. Nicht nur in diesem System, sondern bei allen Familienbetrieben stellt sich die Frage: Wird der Einheiratende am Betriebsvermögen beteiligt oder nicht? Wird er beteiligt, besteht die Gefahr, dass im Falle einer Scheidung der Betrieb zerstört wird. Im Gegensatz allerdings zu Bauernhöfen habe ich bei Familienbetrieben überwiegend beobachtet, dass der Sicherheit des Betriebs der Vorzug gegeben wird. Dies hat aber oft schwerwiegende Folgen für die Partnerschaft. In zwei Fällen hatte ich beobachtet, dass einheiratende Frauen, die am Betriebsvermögen nicht beteiligt worden waren (und es auch gar nicht verlangt hatten und niemals auf die Idee gekommen wären, dies zu tun), eine Magersucht entwickelten. In beiden Fällen verschwand bzw. besserte sich die Magersucht durch die Beteiligung der Frauen am Betriebsvermögen.

Eine letzte Dynamik. Der Vater der Klientin war aus der Ehe herausgegangen und hatte sich danach suizidiert. Das Erbe war unter Umgehung des Vaters nur über die Mutter an die Klientin gelangt. Interessant war nun, dass der Mensch, der in dieser Erbgangsaufstellung den Vater der Klientin repräsentiert hatte, zunächst stark aus dem System hinaustendierte; indem ich aber die Klientin auf das Bild hinführte, nicht nur von der Mutter, sondern auch vom Vater geerbt zu haben, war der Vater plötzlich im Familiensystem „zu halten“, und für alle Teilnehmer stellte sich ein Gefühl von Ganzheit und Zufriedenheit ein. Ich glaube inzwischen, dass es die gute Ordnung ist, wenn ein Erbe, auch wenn es ursprünglich nur von einer Elternseite gekommen war, von beiden Eltern gleich auf die Kinder übergeht.

Wie macht man es richtig?

Die Arbeit mit systemischen Erbaufstellungen hat gezeigt, dass man in seinem Handeln bezüglich Erbe und Vererben von Bauernhöfen oder Familienbetrieben „richtig“ liegt, wenn man sich an das hält, was durch Sitte, Anstand, Moral, Gesetz, Brauchtum und Tradition geregelt ist; man kann sicher sein, sich damit an einem Lebenswissen zu orientieren, das die Erfahrungen von Jahrhunderten in sich konzentriert.

Teilaspekte aber, wie das „treuhänderische“ Aufteilen von Erbteilen verstorbener Geschwister, konnten erst durch die Arbeit mit Erbsystemen entdeckt – oder auch nur wieder entdeckt – werden. Immerhin weiß ich von einer Familie, die von selbst, aus ihrem eigenen Empfinden heraus, darauf gekommen war, den Anteil eines verstorbenen Geschwisters auf diese Weise zu „treuen Händen“ zu übernehmen.

Aber kein Erbrecht vermag die Fälle zu regeln, in denen zu Unrecht Erworbenes weitergegeben wird; denn oft ist es den Erben nicht bekannt, oder zumindest schätzen sie diese Tatsache in ihrer Bedeutung nicht richtig ein. Hier kann die systemisch-phänomenologische Aufstellungsarbeit, wie sie von Bert Hellinger initiiert wurde, sehr hilfreich sein. Die Hilfe für ein Erbsystem kann daraus bestehen, dass eine neue Sichtweise sich etabliert, die das Ganze des Familiensystems in der Beziehung zu dem Betrieb/Hof wieder sieht. Und vor allem ist es wichtig die, denen Unrecht geschehen ist, in den Blick hereinzunehmen. Eine wichtige Beobachtung ist dieses: Für die familiensystemischen Wirkungen reichen die Verjährungsfristen des Bürgerlichen Gesetzbuches nicht aus; die beobachteten Wirkungen reichen über Zeiträume bis zu 100 Jahren und über drei Generationen hinweg. Daher lässt sich ein Unrecht in den meisten Fällen nicht wieder gutmachen; aber dort, wo eine Seele in eine innere Bewegung gerät, in der sie die Notwendigkeit einer Wiedergutmachung erlebt, scheinen die Dinge von selber zum Ausgleich kommen zu können. Manches Mal schein aber der Blick für das Ganze nicht auszureichen, und es ist Handeln im Sinne von eigenem Verzicht gefragt im Sinne der Umverteilung an bisher (noch lebende) Ausgeschlossene oder Benachteiligte.

Entnommen aus „Praxis der Systemaufstellung 1/2002“ von Dr. Mraz 88167 Stiefenhofen