Stattlich und stolz steht der Hof da, wenn durch das Hoftor gefahren wird. Ein Boxenlaufstall mit 50 Kühen und Nachzucht, stattliche Gebäude und gut mit Land ausgestattet. Ein Bild, eine Fassade, wie so oft, trügerisch. Dahinter verbirgt sich oft was ganz anderes. Menschliches Leid, Konflikte, Krankheit, betriebliche Sorgen, um nur einige Beispiele zu nennen.
Der Betriebsleiter übernahm 1980 den Hof von den Eltern, damals schon mit Schulden. Mit einer Althofsanierung und dem Bau eines Boxenlaufstalls versuchte der Hofnachfolger 1982 zukunftsfähig zu bleiben und ein gesichertes Einkommen zu erwirtschaften.
Die Milchquotenregelung, der Milch- und Getreidepreisverfall, Krankheiten und Unglück im Stall ließen schnell den errechneten und geplanten Betriebsgewinn dahinschmelzen, ja, der geplante Kapitaldienst konnte nicht mehr aufgebracht werden.
Ein Teufelskreis beginnt sich zu drehen, nicht nur in dem benannten Beispiel, sondern bei vielen anderen Ratsuchenden in ähnlich schwierigen Situationen.
Die Mindereinnahmen werden durch Mehrarbeit versucht auszugleichen. Gleichzeitig wird die Arbeit dazu verwendet, das Problem zu verdrängen. Selbst bestätigt man sich, für die problematische Situation alles erdenkliche zu tun. „Wir machen ja schon alles“, wird immer wieder gesagt. Die fehlenden finanziellen Mittel bewirken einen Rückstand bei der Zahlung der Rechnungen bei den Landhändlern und den Kreditinstituten. Man versucht noch mehr zu arbeiten.
Das persönliche Vorsprechen um neue Kredite oder Produktionsmittel löst Schamgefühle ausund lässt das Selbstbewusstsein rapide sinken. Damit setzt wieder ein selbstzerstörerischer Mechanismus ein, denn ein niedriges Selbstbewusstsein verringert die Fähigkeit zur Lösung von Konflikten – Nicht-Bewältigen erniedrigt wiederum von Neuem.
Mit der Zeit stellen sich Versagensängste, Schuld- und Schamgefühle ein. Das Gefühl persönlich gescheitert und versagt zu haben ist groß, vor allem, wenn Grundstücke oder der ganze Hof verkauft werden muss.
Die Schamgefühle bewirken, dass sich die Ratsuchenden vom sozialen Umfeld isolieren. Sie nehmen nicht mehr an dem Dorffest teil, kündigen Freundschaften und Beziehungen auf. Ein Bauer erzählte mir, dass Leute aus dem Dorf zu ihm an einer Feier sagten: „Du hast es schön, du hast einen großen Hof und alles ist in Ordnung“. Keiner wusste, wie schwierig es um den Hof stand und wie psychisch belastend die Situation für die Familie war.